SEO ist tot

seo ist tot

Jedes Jahr aufs neue stellt sich die SEO Branche der Frage, ob SEO nun (endlich) tot sei. Jedes Jahr wird diese Frage belächelt und mit “Nein” beantwortet.

Doch die Entwicklung der Art der Internet-Nutzung schreitet rasant voran (allem voran das mobile Nutzungsverhalten) und technische und funktionelle Neuerungen bieten viele neue Möglichkeiten.  Daher möchte ich in diesem Artikel die Fragestellung “Ist SEO tot?” auf diese Entwicklungen anwenden.

Ein kleiner Disclaimer vorweg. Im Artikel gehe ich auf einen Stapel an aktuellen oder älteren Entwicklungen ein und wie diese den Markt beeinflussen könnten. Ob und wie dies geschehen wird ist teilweise sehr schwer abzusehen. Hierzu muss im Prinzip jedes Thema nochmal sehr detailliert betrachtet werden, was ich nicht getan habe. Man möge mir daher kleinere Fehler verzeihen bzw. gern in den Kommentaren darauf hinweisen, ich bessere dann nach.

Da der Artikel etwas länger geworden ist, eine kleine Übersicht:

  • Ich beginne zunächst mit (möglichen) Änderungen der altbekannten Google-Suche, welche Rankings bzw. des daher stammenden Traffic beeinflussen
  • Dann werfe ich einen Blick auf die Suche selbst und wie bzw womit der User heutzutage eigentlich sucht
  • Zum Schluss geht es in die Welt der Smartphones und die dortigen Entwicklungen

Beginnen wir mit Google…

Ändert Google die Spielregeln?

Waren Google Patente vor einigen Jahren eher etwas für Patent Spezialisten, wird inzwischen häufig in der SEO Szene darüber diskutiert und neue bzw. zugewiesene Patente werden ausgiebig untersucht. So titelt searchengineland.com: 3 Google Patents You Need To Know About In 2016.

Ist das erste Patent noch recht harmlos (es geht grob um PageRank / Trust), wird es bei Nummer zwei und drei wesentlich spannender.

Patent: Using Structured Data For Search Result Deduplication

Das Patent beschreibt eine Möglichkeit strukturierte Daten in den Ranking-Algorithmus einfließen zu lassen. So werden auf ihrer Basis doppelte Inhalte entfernt. Hört sich auf den ersten Blick gut an, merkt man beim zweiten Hinsehen, dann aber doch ein kleines Problem, vor allem für Shops.

structured-data

Problematisch wird es nämlich, wenn mehrere Shops dieselben Produkte verkaufen. Hier könnte es nun sein, dass die Produktseiten des einen Shops bevorzugt und die anderen Produkte einfach aus den SERP entfernt werden. Egal, welcher hochwertige Content für diese Produkte geschaffen wurde, denn Google betrachtet ausschließlich die strukturierten Daten. Natürlich an dieser Stelle überspitzt formuliert.

Sollte man also weiterhin auf strukturierte Daten setzen? Der Autor des searchengineland Artikel meint ja, ich würde dies unterschreiben. Denn es geht nicht in erster Linie darum mit der 100.000sten Produktseite zu ranken, sondern eine große Marke zu sein und darüber den Trust zu ergattern, welcher einem dann bei diesem Patent auch zugute kommen wird. Selbstverständlich bedürfen strukturierte Daten gut gepflegte Produktdaten, welche aber auch für viele andere Fälle essentiell sind. Leider gibt es hier noch viel Aufholungsgedarf bzw. nimmt das Thema erst langsam Fahrt auf.

Mögliche Strategische Fragen:

  • Sollte weiterhin auf strukturierte Daten gesetzt werden?
  • Wie werden nach Einsatz des Patentes Produktseiten optimiert?
  • Wie wird der Trust einer Domain bewertet / erhöht?

Patent: Rich Content For Query Answers

Google wird eine Antwortmaschine. Das ist bereits länger bekannt  und die Entwicklung der SERP zeigt es uns. Dem User wird somit der Weg zur rankenden Seite abgenommen und die Antwort auf seine Frage direkt gezeigt. Für den User ein Zeitgewinn, aber was bedeutet dies für SEO?

rich answer growth

Der Vergleich von Dezember 2014 zu Juni 2015 zeigt deutlich den Anstieg der Antworten direkt in den SERP (+9,6%). Die Daten stammen übrigens aus einer Studie von StoneTemple.com, sehr empfehlenswert.

Nun stellt sich die Frage, wie viele User an dieser Stelle mit der Information zufrieden gestellt sind, die Suche direkt verlassen und nicht mehr auf die informationsgebende Seite klicken. Auch hier ist Traffic zu holen und das nicht zu knapp. Mein Kollege Jean-Luc hat dazu ein Artikel mit Beispielen geschrieben.

Ebenfalls spannend, die Telekom und Will.i.am haben auf einer Pressekonferenz eine neue Art Smartwatch, Aneeda, vorgestellt (golem.de). Diese benötigt kein Smartphone mehr und ist hauptsächlich für Sprachsteuerung ausgerichtet. Wichtig dabei, es gibtk eine Links bei einer Suche, sondern direkte Antworten.

Mögliche Strategische Fragen:

  • Welche Inhalte können als Rich Answer von Google genutzt werden?
  • Wieviel Traffic kann darüber generiert werden?
  • Wie können diese Inhalte geschaffen bzw. ausbauen werden?

Google Dienste

Google bietet, innerhalb der Suche, mit der Zeit immer mehr Dienste an und ersetzt damit den Weg zu der klassischen Website anderer Unternehmen. Bekanntester Fall ist  Google Maps, welches bei seiner Einführung und späteren prominenten Platzierung, map24, falk & Co stark zu schaffen machte. Aber auch ein wetter.de hat an den Google Wetter Einblendungen zu knapsen.

google-flights

Inzwischen sind einige neue Dienste hinzugekommen und Google testet kräftig weiter. So gab es Google Hotels (inzwischen in Maps integriert) und Google Flights startet erst so richtig durch. Mit Google Compare steigt Google dann richtig in der Affiliate Business ein und vergleicht Versicherungen , Kreditkarten und Kredite (je nach Land). Aktuell jedoch noch nicht in Deutschland verfügbar. Und seit Beginn 2016 neu ist der Angriff auf Reiseportale mittels Trip Planning (inoffizieller Name).

Es wird sicherlich spannend bleiben und Google wird weiterhin testen, was durch die Suchmaschine selbst abgebildet werden kann und mit welchen Möglichkeiten Google weitere Einnahmen generieren kann.

UPDATE: Es scheint als zieht sich Google doch wieder aus dem Affiliate Business zurück: Google shut Compare Products March 23

Mögliche Strategische Fragen:

  • Welche Geschäftsmodelle sind durch Google abbildbar / kopierbar?
  • Welche davon könnten direkt in die Suche integriert werden?
  • Welche Daten sind seitens Google dafür notwendig?
  • Gibt es Daten, die für Google nicht verfügbar sind?

Checkout direkt in Google

Wer braucht noch eine Website, wenn man direkt in Google kaufen kann?
Oder anders, wer braucht noch SEO, wenn man über die SEA Anzeige direkt kaufen kann?

Mitte 2015 startete Google bereits eine Beta für mobile Entgeräte und nannte dies Winning the Shopping Micro-Moments. Dies bedeutet den direkten Checkout innerhalb der Suchergebnisse. Innerhalb von Google werden Zahlungspräferenzen und Adresse festgelegt und somit ist kein Weg zum Shop direkt notwendig.

google-serp-checkout

Neben der Integration in der Suche selbst, wird diese auch innerhalb von Apps getestet. Ich denke in 2016 werden wir noch einiges dazu sehen. Ist auch nicht nur für Google interessant, auch bieten mehr und mehr andere Unternehmen (Instagram, Pinterest, Facebook) den Buy-Button an bzw. experimentieren damit.

Mögliche Strategische Fragen:

  • Wird der Checkout nur für Bezahlkunden (zB AdWords) verfügbar sein?
  • Wird der Checkout auch für Desktop relevant werden?
  • Welche Auswirkungen hat dies auf das Kaufverhalten der User?
  • Wieviel Traffic ist mit einem Shop über die Suche noch möglich?

Weiter zum nächsten Thema

Wie suchen die User heute?

Oder: Was ist mit den anderen Suchmaschinen? Nein, ich rede nicht von Bing, Yahoo oder Yandex. Dies ist leider aber genau die Antwort, die man auf diese Frage bekommt. “Ach Bing hat doch in Deutschland gar keinen Marktanteil”. Und auch die regelmäßig veröffentlichten Suchmaschinen Verteilungen oder auch die 10 beliebtesten Suchmaschinen von seo-united.de stärken dieses falsche Bild.

An dieser Stelle ein Zitat aus dem Artikel der Website Boosting 34 von Stefan Fischerländer

“Über Jahre hinweg haben wir immer spekuliert, wer eine Suchmaschine bauen könnte, die Google gefährlich werden kann. Jetzt stellen wir fest, es wird keine andere Suchmaschine sein. Die Bedeutung der althergebrachten Websuche selbst nimmt einfach ab.”
Stefan Fischerländer

Super Artikel an dieser Stelle nochmal. Lesenswert!

Im Artikel “Why I Stopped Selling SEO Services and You Should, Too” beschreibt der Autor wie seine Frau die Einrichtung für die neue Wohnung gekauft bzw gefunden hat:

  1. Pinterest
    Sie sucht auf Pinterest nach schön eingerichteten Räumen
  2. Amazon
    Sie sucht die Produkte direkt bei Amazon
  3. Ebay
    Da Amazon die Produkte nicht hatte, sucht sie auf Ebay
  4. Etsy
    Auch Ebay hatte nichts was ihr gefiel, also kaufte sie bei Etsy

Auf die Frage warum sie Google nicht nutze kam die Antwort, es wäre nur ein unnötiger Schritt mehr. Wer also ausschließlich für Google optimiert, verliert eine Menge User. Übrigens starten laut einer BloomReach Umfrage schon 44% aller Käufer direkt bei Amazon.

Wird der gemeine SEO dadurch doch evtl. in (mehrere) neue Suchmaschinen gezwungen, für die ganz andere Regeln (Ranking Algorithmen) gelten als für Google. Wenn man aber zB sieht, dass Amazon in den USA schon Handwerker und Putzfrauen vermittelt merkt man, in welche Richtung es sich entwickelt.

An dieser Stelle noch ein Hinweis auf sem-tool.com von Alpha9 Marketing, in welchem man schon länger Keywords anderer “Suchmaschinen” (Amazon, Youtube, Google Play, Fotolia, etc.) finden kann. Und auch sistrix hat Anfang 2016 das Amazon Keyword Tool veröffentlicht. Andere Toolanbieter werden diesen Weg sicherlich auch gehen und weitere Tools für alternative Suchsysteme werden entstehen bzw. bestehende Tools aufgewertet.

Und zudem eine Leseempfehlung der Artikels Alternative Suchsysteme von contentking.de.

Mögliche Strategische Fragen:

  • Welche Suchmaschinen / Dienste nutzen die User?
  • Welche Intention haben diese?
  • Wie wird darüber Traffic generiert?

Voice, Context, Location, Personal Information

Anfang 2016 stehen wir noch ganz am Anfang was die Suche per Spracheingabe angeht. Vom virtuellen Assistenten sind wir noch meilenweit entfernt. Aber dennoch, einige Dinge beeinflussen bereits jetzt unser Suchverhalten und vor allem die Analyse dessen.

In einer Studie aus Q4/2015 von GWI wurden User nach Voice Search befragt. Hierbei stellte man fest, bisher nutzen “nur” ca. 20% Voice Search. Interessant dabei sind aber die Details. So ist die Nutzung, wie erwartet, bei Jugendlichen höher. Aber scheinbar steigt die Nutzung auch mit höherem Einkommen. Dies kann jedoch an den Fähigkeiten der Smartphones liegen, je mehr Einkommen vorhanden ist, desto besser das Handy.

Tatsache ist, Spracheingabe wird noch nicht in dem Maße genutzt, wie es, im Zuge der Usability, sinnvoll wäre. Aber, es geht voran und es ist nicht aufzuhalten. Spracheingabe wird innerhalb der nächsten Jahre in der Nutzung stark Richtung 50% steigen. Wenn man das Handy nicht mehr entsperren muss um zB eine Nachricht zu schreiben (zB während des Autofahrens), ist die Nutzererfahrung weitaus besser.

voice-search

Auf venturebeat wurde ein Artikel mit folgendem Titel veröffentlicht: The 4 Things Google believes are Key to the Future of Search

Hier geht es um Spracheingabe, den Kontext der eingegebenen Suchbegriffe und weiteren Informationen wie Standort und bereits vorhandener persönlicher Informationen. Dies ändert unser Suchverhalten extrem und erschwert dem SEO die Analyse.

Wer sich also freute, dass die Search Console mittels der Suchanalyse uns nun endlich wieder Keywords zurück gegeben hat sollte einmal genau auf die folgenden Beispiele schauen:

  1. Suche nach “London”
    Suche nach “Schloss”
    => Suchergebnis: Schlösser in London
  2. Nutzer bucht Flug nach London
    Tag vor Flug: Suche nach “Schloss”
    => Suchergebnis: Schlösser in London
  3. Nutzer ist in London
    Suche nach “Schloss”
    => Suchergebnis: Schlösser in London

In allen drei Beispielen wurde “Schloss” als (letztes) Keyword eingegeben und würde uns somit in der Search Console auch angezeigt. Optimieren wir nun die Seite von Schloss XY also auf das Keyword “Schloss”? Oder wäre vielleicht “Schloss XY London” viel sinnvoller? Oder optimiere ich meine strukturierten Daten, damit Google diese besser nutzen kann um Suchanfragen zu verknüpfen?

Wird die Suche per Sprache gestartet “Zeige mir schöne Schlösser”, so ist das Keyword selbst ebenfalls nicht mehr zu gebrauchen, denn jeder wird eine andere Art der Fragestellung haben (zB “Schöne Schlösser”, “Schlösser in der Nähe”, “Zeige tolle Schlösser”).

Und wenn mir Google Now hier einfach die Infos über das Schloss 2 Stunden vor Führung im Schloss anzeigt, habe ich sowieso kein Keyword mehr. Das Keyword selbst wird somit wieder irrelevanter. Jetzt geht es um die Topic Optimierung. Wo genau der Unterschied zwischen Keyword-Target und Topic-Target Optimierung liegt sollte sich die 8 Minuten Whiteboard Friday von Rand Fishkin anschauen: Can SEOs Stop Worrying About Keywords and Just Focus on Topics?. Zudem beschreibt er wie und warum man beide Ansätze miteinander kombinieren sollte, denn ganz ohne Keywords geht es am Ende doch nicht.

Im Bereich Mobile wird es nochmal schwieriger, denn Tippen auf kleinen mobilen Geräten ist einfach nicht angenehm. Der Weg wird also, vom gelernten Tippen auf Desktop Geräten, zu anderen Formen der Bedienung wechseln. Bestens beschreibt es Amit Singhal, seines Zeichens Senior Vice President bei Google:

“Mobile is fundamentally a ‘tapped’ device, it’s not a ‘typed’ device.”
Amit Singhal via searchengineland

Interessant wird auch der Punkt des “Private Index“, der sowohl bei Apple, als auch bei Google vorhanden ist. Vor allem natürlich auf Mobilgeräten relevant. In Android 6 kommen dazu größere Änderungen auf die Geräte. Searchengineland.com hat dem einen Artikel gewidmet: Android 6 “Marshmallow” & SEO Series: Google’s Private Index & Screen Crawling

“Private Index content is important because it always out-ranks organic results.”
Cindy Krum

Das Zitat stammt ebenfalls aus dem Artikel und zeigt eine neue Art der Personalisierung. Die Frage für den SEO ist also nicht mehr “Wie ranke ich gut bei Google?”, sondern “Wie komme ich in den Private Index der Geräte?“. Denn diese “echte” Personalisierung wird definitiv weiter voranschreiten.

Spracheingabe ist übrigens nicht nur Google und Apple, auch Facebook und SoundHound haben da was in petto. Und sicher wird von Nuance (bekannt für Dragon Natural Speaking) auch noch etwas kommen.

Gehen wir noch einen Meter weiter beim Private Index und schauen uns ein Konzept von Paul Adams auf intercom.io an: The End of App as we know them (Teil 2: It’s not the End of Apps). Er beschreibt dabei eine Art (News-)Stream über alle Apps, basierend auf Notifications. Über diese ist es ja bereits jetzt möglich direkt mit einer App zu agieren, ohne diese zu öffnen. In diesem Steam laufen sogenannte Karten mehrerer Apps zusammen ab und er ersetzt quasi den Startbildschirm auf dem Smartphone auf dem aktuell die Icons der Apps zu finden sind.

end-of-apps
Mögliche Stream Ansicht auf Smartphones in Zukunft (c) intercom.io

Sehr spannend und durchaus ein mögliches Szenario, da sich ein Stream bisher als sehr erfolgreich herausgestellt hat, zB bei Twitter, Facebook, Google Now, etc.. In diesem Fall muss sich der SEO ebenfalls damit auseinander setzen, auch wenn es im Grunde keine Suchmaschinen Optimierung mehr ist.

Mögliche Strategische Fragen:

  • Wie werden die User in Zukunft die Sprachsuche nutzen?
  • Welche weiteren Informationen spielen bei der Suchanfrage eine Rolle?
  • Wie wird für den Private Index der Geräte optimiert?
  • Wie könnte sich die grundsätzliche Nutzung von Smartphones mobilen Geräten ändern?

Antworten ohne Fragen

Wieder ein großartiges Zitat von Amit Singhal, welches den Punkt perfekt beschreibt:

“If Google gives me the answer, that’s a good thing so that I can spend that extra five minutes or three minutes with our children.”
Amit Singhal

Das Zitat stammt aus einem Artikel bei time.com, in welchem Amit Singhal noch weitere Male zu Wort kommt. Der Artikel handelt davon, wie Google seine Zukunft sieht bzw. nach seiner Zukunft sucht. Lesenswert! Wir alle wissen, Google wird nicht einfach verschwinden. Aber sie müssen langsam von ihrem kleinen Suchschlitz wegkommen… denn das ist (wahrscheinlich) nicht die Zukunft.

In der Zukunft werden wir eher die Antworten auf unsere Fragen bekommen, bevor wir überhaupt wissen, dass wir eine Frage haben. Mit Google Now bzw. Now on Tap geht es schon in diese Richtung und es wird noch viel mehr werden. Bisher gibt es aber eher nur Informationen über die aktuelle Verkehrslage und das Wetter.

Und nicht nur Google ist dazu in der Lage, auch Foursquare ist jetzt ganz vorn dabei wie ein Business Insider Artikel über Foursquare Pilgrim beschreibt. Er beginnt mit einer Story des Autoren, der in einer Pizzabude saß (sein 1. Besuch dort) und ohne Einschecken und Öffnen von Foursquare direkt einen Tipp (Push Notification) bekam, was er zu Essen bestellen sollte. Die App schlug ihm also dennoch basierend auf seinem ungefähren Standort die top Pizza des Ladens vor.

Welche anderen Apps noch folgen und wie sich unsere Informationsbeschaffung (bzw. -eingang) dadurch ändert sehen wir wohl erst die nächsten Monate bzw. Jahre.

Mögliche Strategische Fragen:

  • Welche Inhalte sind für User hilfreich ohne die Frage zu stellen?
  • Welche Datenpunkte (zB Ort, Zeit) sind dafür wichtig?
  • Welcher Anbieter könnte diese Inhalte ausliefern?
  • Wie nutzt man diese Inhalte für das eigene Geschäft?

Wie schauts mit den Smartphones?

Deeplinking oder Wo ist mein Traffic?

Über das Thema App Indexing bzw. Deeplinking wurde schon eine Menge geschrieben. Ich denke, dass ich eine tiefere Erklärung dazu nicht mehr schreiben braucht, grundsätzlich zum Thema mobile (und App Indexing) hier eine riesige Übersicht von builtvisible.com. Zudem noch eine aktuelle Studie von Searchmetrics.

Meist sind die Artikel aber sehr positiv und beschreiben nur wie der Webmaster seine App korrekt mit der Website verknüpft. Über die möglichen negativen Aspekte machen sich scheinbar nur wenige Gedanken. Ich möchte an dieser Stelle einmal auf das, meiner Meinung nach, (noch) größte Problem für SEOs eingehen: das Tracking

Wenn ich meine App optimal mit der Website verknüpft habe und Google (oder Apple) nun diese in den Suchergebnissen statt der Website ausspielt… wer im Unternehmen profitiert dann von diesem Traffic?
Wer seine Umsätze aller Kanäle nicht getrennt betrachtet (also nur grobe Kennzahlen wie “Sales” nutzt), wird keine großen Probleme haben, denn diese sind ja weiterhin da (und steigen hoffentlich durch die bessere UI/UX in der App).
Wer jedoch seine Kanäle trennt wird recht schnell einen Abfall im Bereich SEO feststellen. Und, sofern Tracking eingebunden ist, einen Anstieg beim App-Traffic. Der Traffic ist also nicht weg, nur woanders.

Jetzt stellt sich die Frage:
Wie rechne ich App-Traffic durchs Deeplinking dem SEO Kanal zu?

Dafür müssen also erstmal die technischen, personellen und politischen Möglichkeiten geschaffen werden. Dennoch ist es extrem wichtig um nicht eines Tages vor dem Chef zu stehen und das aktuelle SEO Budget bei fallendem Traffic und Umsatz rechtfertigen zu müssen.

Google hatte im Oktober übrigens schon 100 Milliarden Seiten in App indexiert und steuerte bei 40% der Suchen auf Android bereits Deeplinks aus (Quelle recode).

Übrigens, Siri (rechts) kann, im Gegensatz zur normalen Spotlight (links), noch gar kein Deeplinking:

apple-deeplinking

Was für Möglichkeiten werden dem User erst geboten, wenn Siri auf Spracheingabe direkt Deeplinks vorschlägt? Was ja durchaus sinnvoll ist und dem User sehr viel weiterhelfen kann. Vielleicht gar nicht mehr der Deeplink, sondern einfach nur die Information aus der App? Warum also überhaupt noch eine App nutzen? Verkommen die Apps dann einfach nur zu Informationslieferanten?

  • Eingabe “Siri, ich hab Hunger”
  • Siri: “Hier sind die top 3 Rezepte von Chefkoch, möchtest du, dass ich dir eins vorlese?”

Und schon interagiert Siri mit der App von Chefkoch, aber ohne diese zu überhaupt öffnen.  Oder Siri fragt mich, ob die Zutaten denn schonmal in meine Einkaufslistenapp verschoben werden sollen.

Mögliche Strategische Fragen:

  • Welche Vorteile bieten sich durch App Indexing  bzw Deeplinking?
  • Wie wird der Traffic gemessen und welchem Kanal zugeordnet?
  • Könnte der Klick in die App unnötig werden, wenn zuviele Informationen herausgegeben werden?

App Streaming

Aufbauend auf dem Deeplinking (für welches ja immerhin noch eine App installiert werden muss) ist dann das App Streaming, an welchem Google bereits arbeitet:

Der typische User nutzt ja eh nur eine Handvoll Apps, die meiste Zeit verbringt er in 3-5 verschiedenen Apps. Durch das App Streaming wird sich dies nicht ändern, aber der User interagiert immerhin mit mehr Apps. Nutzen würden die User gern mehr Apps, aber auf das Installieren haben sie keine Lust, wenn sie sie vielleicht nur 1x im Monat oder Quartal brauchen.

MarketingLand.com nennt dies The Web Of Apps Begins und spricht von der “App Installation Barrier”, welche dadurch umgangen wird.

Zudem wird das Thema App-Only Content erwähnt. Also Apps, die gar keine zugehörige Website haben. Damit wären sie bei Google also erstmal außen vor, denn dort ist die Verknüpfung notwendig. Dies könnte sich jedoch ändern, denn Google plant auch solche Inhalte anzuzeigen. Wie behält man eigentlich seine App-Only Konkurrenten bei sowas im Blick?

Passend dazu noch eine etwas ältere Studie vom März 2015 von comscore, die zeigt, dass es bereits damals eine Menge Mobile-Only User gab, welche natürlich mit einer App wesentlich besser bedient wären:

mobile-only

Wichtig in diesem Zusammenhang (und eine gute Überleitung zum nächsten Kapitel), ist das Thema Ladegeschwindigkeit. Diese ist leider in vielen Bereichen nicht ausreichend und daher macht sich Google Gedanken dazu und passt sogar schon länger seine Suchergebnisse daran an. An dieser Stelle der Verweis auf einen moz.com Artikel über Connection Speed, welcher App Streaming und AMP als sinnvoll und positiv beschreibt.

AMP – Accelerated Mobile Pages Project

Und wer dachte das Thema Streaming bezieht sich nur auf Apps und man bekommt ohne App dennoch genug Traffic auf die eigene Seite sollte nochmal schnell einen Blick auf AMP werfen… hier testet Google gerade die Auslieferung deiner Website.

Aktueller Stand: es werden bereits Nachrichten in der Seach Console verschickt mit der Aufforderung AMP zu implementieren (Auszug seroundtable).

amp

Erstmal eine recht simple Sache: Man erstellt eine micro-Version seiner Seite. Speziell bei Nachrichtenseiten sehr interessant, da es ja nur auf den Inhalt (Text, evtl. Bilder) der Nachricht ankommt und der Rest (Menü, weitere Links) im ersten Schritt nicht interessant sind. Soweit kein Problem, man erzeugt also quasi eine Art “Druck-Seite”. Der canonical verhindert DC. Diese wird selbst gehostet und jeder kann drauf zugreifen, sofern die URL gekannt ist (meist domain.de/amp)

Diese kleine Variante kann aber von Google (und auch Anderen, wie zB Facebook) gecached werden. Und hier wird es interessant, denn die eigene Infrastruktur ist nicht mehr relevant. Hat viele Vor-, aber eben auch Nachteile. So funktioniert das Tracking aktuell noch nicht richtig, AdSense soll man aber schon aussteuern können.

Anschauen: https://www.ampproject.org/
Detailerklärung im Whiteboard Friday.

Testen kann man das Ganze selbst mit einem mobilen Gerät unter der URL: g.co/ampdemo
Danach die Suche nach “nytimes“.

Chinahandys und was ist der Kunde bereit zu zahlen?

An dieser Stelle ein kleiner Hinweis auf einen interessanten Artikel von The Overspill. Das Thema ist Android Smartphones und deren Hersteller.

Zwei Dinge haben mich im Artikel aufmerken lassen:

  1. Es gibt extrem große Hersteller von Handys in China, welche diese meist ohne Google Services ausliefern
    zB Huawei, ZTE und Xiaomi
  2. Es werden mehr günstige Geräte gekauft (am Beispiel von Samsung in Q3/2015)
    Anteil der Verkäufe für Geräte unter $200 stieg um 8% und zwischen $200-$300 um 7% (bedeutet alles über $300 fiel anteilig um 15%!)

Diese Entwicklung auf dem Hardware Markt kann mittelfristig größere Auswirkungen auf Google bzw. die Suche und wie sie in Zukunft genutzt wird haben. Während günstige Smartphones mehr und mehr nachgefragt werden und dennoch über “genug” Leistung verfügen, ist der Umstand der Geräte ohne vorinstallierte Google Services wesentlich kritischer zu betrachten. Hier wird nach einiger Zeit vielleicht nachgeholfen werden und Google (oder Bing, Facebook, Apple, etc.) werden bei den Herstellern anklopfen und für eine Vorinstallation bezahlen (wie es zB bei Dell, Firefox & Co geschehen ist).

Mögliche Strategische Fragen:

  • Was werden die “Billig”-Handys in Zukunft können? bzw. was nicht?
  • Irgendwann werden China-Handys auch in Europa eine Rolle spielen, was tut dann der Kunde?
  • Werden Google Services vom User nachinstalliert?
  • Werden Suchmaschinen (oder ähnliche Services) für Vorinstallationen zahlen?
  • Wenn nicht, wie wird in Zukunft gesucht?

Fazit

Ok, da ist ne Menge zusammen gekommen.Und jedes Thema bietet noch viel Stoff, sobald man sich tiefer hineinarbeitet. Aber es lohnt sich.

Google sorgt schon seit Jahren immer wieder für Änderungen im Tagesgeschäftes des SEO. Aber jetzt können einige wirklich gravierende Neuerungen hinzukommen, welche die Relevanz von SEO verringern könnten. Neben Änderungen des Algos wagt sich Google auch vermehrt ins Affiliate Geschäft und schöpft mehr im Bereich SEA ab.

Das Nutzerverhalten der User ändert sich gravierend. Nicht nur Dank der mobilen “Revolution”, sondern vor allem werden die Spracheingabe und die Personalisierung (a la Private Index) die Karten neu mischen.

Neue Techniken wie Deeplinkung, App Streaming und AMP erhöhen die Komplexität von SEO und bieten viele Möglichkeiten abseits der Google Suche.

Und auch die Hardware spielt eine immer größere Rolle.

Aber, SEO ist natürlich nicht tot. Nur anders.

Denn wir optimieren nicht mehr nur für Google auf zehn blaue Links. Wir müssen uns auch mit anderen Suchschlitzen (Amazon, etc.) bzw. Arten der Suche (Spracheeingabe) oder des Findens (Now on Tap) auseinander setzen.

Und wie geht es so weiter? Amit, sag doch mal:

“We don’t know what devices are coming,
but we know they’re coming”
Amit Singhal

3 Comments on “SEO ist tot

  1. Sehr guter Artikel Julian. Ich denke auch, man muss beim Thema SEO einen strategischen Ansatz haben und frühzeitig schauen, wo es sich hin entwickelt. SEO wird es immer geben so lange es irgendwelche Suchen gibt. Man muss nur frühzeitig die Weiterentwicklung im Auge behalten, um zu sehen, was man wo optimieren kann. Außerdem sollte man bei den Geschäftsmodellen immer prüfen was kann welcher große Player einfach bei sich implementieren und so den Traffichahn zudrehen.

  2. Das ist wirklich ein Klasse Artikel der aber auch ein bisschen Angst macht; zeigt die Thematik doch eindrucksvoll, wie sehr die Giganten sich alles unter den Nagel reißen wollen/ werden. Welche Chance hat da der kleine Händler? Und natürlich folgt auf diese Frage die nächste: welche Methoden sind wirklich hilfreich um in diesem “Schlachtfeld” zu bestehen? Ich glaube zwar nicht das SEO tot ist, aber ich glaube, es wird sich zu einer Geheimlehre entwickeln. Das SEO-Wissen welches wirklich zum Erfolg führt wird einfach zu wertvoll sein als das man sich darüber öffentlich Informieren kann. Letztlich soll SEO Wettbewerbsvorteile bringen und wer diese erbringen kann wird gut belohnt werden.
    Schlimm finde ich, wie sehr man sich den Vorgaben der Großen unterwerfen muss um ein Stück vom Kuchen ab zubekommen. Google bestraft z.B. Seiten die Links verkaufen, lebt aber selbst davon. AdWords ist ja im Prinzip nichts anderes :-).

    • Ich glaube nicht, dass SEO zur Geheimlehre wird. Ich denke eher es wird noch öffentlicher werden, vor allem durch die Analyse Tools die jetzt schon auf dem Markt sind bzw noch kommen.

      Chancen gibt es aber nachwievor genug. Wichtig ist nur, die aktuelle und mögliche künftige Entwicklung zu betrachten. Wer davon ausgeht, dass in 5 Jahren noch SEO&SEA die wichtigste Rolle spielt wird wohl eines besseren belehrt. Ob das dann social sein wird (oder so genannt wird) oder etwas ganz anderes ist schwer vorherzusagen.